Kölner Wohnungseigentümer werden zu Rohstofflieferanten für die Fensterproduktion

In den letzten Zügen liegen mittlerweile die Arbeiten am Wohnkomplex Alte Apotheke/Ecke Schmittgasse im Kölner Stadtteil Zündorf. Im Rahmen einer energetischen Sanierung des Anfang der 1980er Jahre errichteten Gebäudes werden etwa 600 ausgediente PVC-Fenster gegen neue hochwärmedämmende Kunststofffenster mit modernen GEALAN-Profilen des Fensterbauers Meeth aus Wittlich ausgetauscht. Das Besondere bei diesem von der KfW geförderten Projekt ist jedoch, dass die Eigentümer der insgesamt 88 Wohnungen nicht nur von den Entwicklungen im Profilbereich profitieren, sondern am Ende sogar selbst zu Rohstofflieferanten für die Fensterproduktion werden.

Urban Mining in Köln-Zündorf

Denn die ausgedienten alten Kunststofffenster landen nicht etwa in der Müllverbrennung. Stattdessen werden die Fenster recycelt und aus ihnen wieder PVC-Rohstoff gewonnen, der problemlos bei der Produktion von neuen Fenstern erneut eingesetzt werden kann. Aus den alten Zündorfer Fenstern entstehen also wieder neue. Angestoßen wurde die Idee zur Rohstoffgewinnung vom ausführenden Montagebetrieb Sesterhenn GmbH & Co. KG aus Mülheim-Kärlich, einem Familienunternehmen, das mittlerweile auf eine 125jährige Firmentradition zurückblicken kann. Die Expertise konnte nicht nur die Wohnungsbesitzer, vertreten durch die Kölner quick immobilien Verwaltungs GmbH, überzeugen. Auch Axel Klein vom Architekturbüro rix2, zuständig für Planung und Bauleitung, zeigt sich vom Urban Mining in Köln-Zündorf angetan: „Wir kannten die Möglichkeit, Kunststofffenster zu recyceln bislang nicht. Das ist aktiver Umweltschutz und im Übrigen auch zu guten Konditionen. Ein Lösungsansatz, den wir weiterempfehlen werden.“

Bundesweiter Service

Organisiert wird die Wiederverwertung alter Kunststofffenster, -rollläden und -türen in Deutschland von der Rewindo GmbH, Fenster-Recycling-Service, mit Sitz in Bonn, die mit ihren Recyclingpartnern einen bundesweit flächendeckenden Abholservice realisiert. Zusätzlich will man auch Besitzern von kleineren Mengen Altfenstern den Zugang zum System noch einmal erleichtern: „Für all diejenigen, die kleinere Mengen Altfenster nicht lagern können oder wollen, bauen wir derzeit ein Annahmenetz für Kleinstmengen auf. Hier im Rheinland sind wir da schon gut aufgestellt. Wenn also das ein oder andere Einfamilienhaus hier in Zündorf saniert werden soll, haben wir auch dafür eine Lösung parat“, so Rewindo-Geschäftsführer Michael Vetter.

Eingespielte Partner

Die alten Fenster vom aktuellen Projekt übernimmt zunächst der Rewindo-Logistikpartner Biotrans GmbH aus Schwerte. Nach dem Abtransport werden sie dort für einen möglichst effizienten Recyclingprozess vorkonfektioniert. Dabei werden nach der Entglasung, Metalle und weitere Stoffe vom Kunststoff getrennt und an Recycler für die Wiederaufbereitung weitergeben. Die weitaus größte Fraktion, das PVC-Material, wird schließlich vorgebrochen an die Recyclingexperten der VEKA Umwelttechnik GmbH in Hörselberg-Hainich geliefert, wo es in einer modernen Recyclinganlage schließlich werkstofflich recycelt wird. Es entsteht ein PVC-Mahlgut, das als Ausgangsmaterial für hochwertiges Granulat verwendet wird.

So gut wie neu

In den neuen Fensterprofilen ist der wiedergewonnene Rohstoff als Recyclatkern zu finden, der außen mit PVC-Neumaterial ummantelt wird. Alle anerkannten Vorteile des Kunststofffensters, wie Langlebigkeit, Stabilität, geringer Wartungsaufwand, vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten und hohe Recyclingfähigkeit, bleiben beim Recyclingprofil erhalten. In technischer und bauphysikalischer Hinsicht also genauso so gut wie neu, helfen die Recyclingprofile darüber hinaus bei der Vermeidung schädlicher Treibhausgase. So spart jede Tonne PVC-Recyclat, das in der Profilherstellung zum Einsatz kommt im Vergleich zu Primär PVC rund 1,87 Tonnen CO2. Der Einsatz der Recyclingprofile ist mittlerweile Standard und der Markt für Kunststofffenster mit Recyclatkern wächst stetig. Gut möglich also, dass der Zündorfer Rohstoff schon bald in einem neuen GEALAN-Profil wiederzufinden ist.

BVSE und AGPU: Positive Entwicklung bei Recyclinglösungen für den Baustoff PVC

Anlässlich des 21. Altkunststofftages in Bad Neuenahr haben der Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V. (bvse) und die Arbeitsgemeinschaft PVC und Umwelt e.V. (AGPU) eine positive Zwischenbilanz für das Recycling des Baustoffes PVC gezogen. PVC hat zahlreiche langlebige Anwendungen im Baubereich. Hier sind insbesondere bewährte Produkte wie etwa Fenster, Rohre, Bodenbeläge, Dach- und Dichtungsbahnen oder Kabelummantelungen zu nennen. „Durch Aufbau und Erweiterung von mittlerweile sehr etablierten Recyclingwegen lässt sich die Nachhaltigkeit dieser Bauprodukte inzwischen gut darstellen“, macht der bvse-Kunststoffexperte Dr. Thomas Probst deutlich.

PVC-Recycling im Aufwind

Der kürzlich veröffentlichte Fortschrittsbericht von VinylPlus®, dem Nachhaltigkeitsprogramm der europäischen PVC-Branche, hat gezeigt, dass sich das PVC-Recycling weiterhin im Aufwind befindet. So konnten 2017 insgesamt 639.648 Tonnen recyceltes PVC registriert und die Menge im Vergleich zu den Vorjahren (560.492 Tonnen in 2016) gesteigert werden. Damit sind mittlerweile fast 80 Prozent des angestrebten Jahresziels von 800.000 Tonnen für 2020 erreicht. Maßgeblichen Anteil hieran haben die Recyclingaktivitäten in Deutschland. Anfang der 1990er Jahre hat man damit begonnen, Recyclinganlagen zu errichten und Sammelsysteme aufzubauen oder weiter zu optimieren. „Mittlerweile gibt es in Deutschland etwa 70 Betriebe, die mit dem Recycling von PVC Geld verdienen“, so AGPU-Geschäftsführer Thomas Hülsmann.

Diverse Recyclinginitiativen

Knapp 73 Prozent des jährlich hergestellten PVC wird im Baubereich eingesetzt und  wie in der Produktion sind folglich auch in der Abfallwirtschaft PVC-Bauprodukte mengenmäßig am bedeutendsten. Um die Verwertung kümmern sich in Deutschland diverse Recyclinginitiativen, wie die AgPR Arbeitsgemeinschaft PVC-Bodenbelag Recycling und RoofCollect (Dachbahnen). Für Fenster hat die Rewindo GmbH mit ihren Recyclingpartnern ein flächendeckendes Rücknahmesystem eingerichtet. 2017 konnten insgesamt rund 100.000 Tonnen PVC-Regranulat aus Altfenstern und Produktionsabschnitten gewonnen werden. Seit Anfang 2005 bilden die Rohr-Recycling GmbH & Co. KG in Westeregeln und der Kunststoffrohrverband e.V. (KRV) eine Allianz, um die Verwertungsmengen zu steigern. Diese Initiative nimmt PVC-Rohre bundesweit zurück und sorgt für die Verwertung der Altprodukte.

Aus Alt mach Neu

Vorwiegend das Mittel der Wahl in diesem Prozess ist nach wie vor das werkstoffliche Recycling. Hierbei wird aus den ausgedienten Produkten ein Rohstoff gewonnen, der wieder in neuen Anwendungen verwendet werden kann. So ist das beim Fensterrecycling gewonnene Regranulat in neuen Fensterprofilen, ummantelt mit PVC-Neumaterial, als Recyclatkern zu finden. Der Einsatz der PVC-Recyclingprofile ist mittlerweile Standard. Anwendbar ist dieses Prinzip auch für PVC-Böden und -Rohre, bei denen das Regranulat auf der Unterseite bzw. in der Mittelschicht eingesetzt werden kann. Etablierte, langlebige Produkte werden schließlich – zum Teil als Mischfraktion – auch aus alten PVC-Kabelummantelungen hergestellt. Hier reicht die Palette vom Bakenfuß, über Schächte und Bretter bis zum widerstandsfähigen Industriebodenbelag. Die Hersteller solcher Produkte finden sich auch im PVC-Recyclingfinder der AGPU.

Altkunststofftag in Bad Neuenahr

Vom 12. bis 13. Juni lädt der bvse-Fachverband Kunststoffrecycling in diesem Jahr bereits zum 21. Mal, zum Internationalen Branchentreff nach Bad Neuenahr ein. Auf der zweitägigen europäischen Branchentagung stehen aktuelle Themen des Kunststoffrecyclings auf dem Vortrags- und Diskussionsprogramm. Eine ideale Netzwerk- und Informationsplattform bietet an beiden Tagungstagen das Ausstellerforum.